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Über uns

Vereinsgründung 1985

Rede zum 30-jährigen Bestehen

Am besten beschreibt uns diese Rede anlässlich der GPV-Tagung am 21.09.2015 in Stuttgart, Rathaus, von Inge Schöck über das 30-jährige Bestehen des Vereins:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Jubiläumsgemeinde,

Stichwörter wie „gleiche Augenhöhe“, „Sozialraumorientierung“, „Empathie“ usw. gehören seit einigen Jahren zum Wortschatz einer zugewandten, offenen Psychiatrie. Sie sind, wenn man so will, „Kinder“ der Psychiatrie-Enquete, an deren Veröffentlichung vor 40 Jahren heuer vielfach erinnert wurde und wird. Die Psychiatrie-Enquete kam damals aber nicht nur auf Initiative von Psychiatern zustande, sondern war auch massivem öffentlichem Druck zu verdanken. Damals und in den Folgejahren wurden auf Grund bürgerlichen und studentischen Engagements eine ganze Reihe von örtlichen, damals alternativen Einrichtungen und Vereinen ins Leben gerufen.

Auch unser „Stuttgarter Bürgerkreis zur Förderung seelischer Gesundheit“, der jetzt 30 Jahre besteht, ist ein „Kind“ der Reformbewegung. Die Anfänge unserer Aktivitäten als engagierte Bürger hier in Stuttgart reichen sogar noch ein paar Jahre weiter zurück.  Wir haben bereits am Jahreswechsel 1980/81 mit der Gründung des Kontaktclubs „Treffpunkt Süd“ begonnen, also noch vor der Einrichtung der Sozialpsychiatrischen Dienste in Stuttgart.

In der Psychiatrie-Enquete wird der Einbeziehung der „Laienhilfe“, wie das Bürgerengagement damals noch genannt wurde, aber auch der Betroffenen (= Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige) eine besondere Bedeutung beigemessen.

Schon die ersten Erfahrungen mit dem bürgerschaftlichen Engagement in der Psychiatrie hatten ergeben:

  • durch gemeinsame Aktivitäten konnte der Ausgrenzung und Isolierung vorgebeugt bzw. entgegengewirkt werden,
  • eine Begegnung und Kontakte mit psychisch erkrankten Mitbürgern ohne Vorurteile waren möglich, geprägt durch Verständnis und Solidarität
  • die Freude an eigenen Fähigkeiten wurde (wieder) geweckt,
  • ein freundschaftliches Miteinander und Beziehungen konnten geknüpft und ein Gefühl des – wieder – Dazugehörens, der gesellschaftlichen Einbindung vermittelt werden.

Ich denke, dass das Ergebnis kaum besser ausgedrückt werden kann als in den Worten einer unserer Clubbesucherinnen. Sie sagte einmal wörtlich, dass sie jetzt wieder mit Freude in der Stadt lebt.

Ganz wichtig war uns von Anfang an, dass dieses Miteinander auf einer partnerschaftlichen Ebene, auf gleicher Augenhöhe erfolgte. Auch wenn sich die Zeiten geändert haben: Diese Funktion und diese Qualität des bürgerschaftlichen Engagements in der psychiatrischen Landschaft hat sich bis heute unserer Meinung nach nicht überlebt. Für uns steht fest: eine Gemeindepsychiatrie kann eigentlich ohne Bürger nicht stattfinden.

Wir machen keine Therapie. Unseren Kontaktclub haben wir auch schon als „therapiefreie Zone“ bezeichnet. Aber wir hoffen und wünschen uns, dass die Art unseres Umgangs miteinander eine positive Wirkung hat. Es sind die normalen, alltäglichen – und eben auch persönlichen – Beziehungen, die unseren Part und unsere Kompetenz ausmachen.

Mit unserer Begleitung im Alltag erfahren wir auch unmittelbar, wo Clubbesucher „der Schuh drückt“, wo Bedürfnisse nach Änderung verlangen.

Noch ein paar Angaben zum „Treffpunkt Süd“: Wir treffen uns einmal in der Woche für etwa drei Stunden und gestalten jeweils ein zuvor gemeinsam beschlossenes Programm, das in dem von der Stadt herausgegebenen Faltblatt „Nicht mehr isoliert“ abgedruckt ist. Kontakte bestehen zu etwa 50 Personen aus dem ganzen Stadtgebiet. Je nach Programm kommen immer mittwochs zwischen 15 und 25 Personen in die Schlosserstraße. Wichtig ist uns, dass alle Besucher gleichberechtigt sind und auch zu Gehör kommen. Es soll sich niemand zurückgesetzt fühlen. Was Mitarbeit und Mitgestaltung betrifft, gibt es keinen Unterschied zwischen Ehrenamtlichen und Besuchern. Jeder kann sich einbringen. Nimmt man die fehlende eigene psychiatrische Krankheits- und Leidenserfahrung als Kriterium, nehmen am Clubleben fünf Ehrenamtliche teil. Allein für die Clubabende kommen bei ihnen etwa 800 Stunden im Jahr zusammen.

Im Folgenden möchte ich etwas zum Gründungsanlass unseres Vereins, des Stuttgarter Bürgerkreis zur Förderung seelischer Gesundheit im Jahr 1985 sagen.

Schon früher wurde von Besuchern im „Treffpunkt Süd“ beklagt, dass es nach der Entlassung aus der Klinik nichts gäbe, wo man einfach tagsüber hingehen könne, wenn einem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt. Das einmalige wöchentliche Treffen im Club wäre zu wenig. Bei einer von der Stadt organisierten Tagung zur Förderung ambulanter Hilfen, zu der wir für den „Treffpunkt Süd“ auch eingeladen waren, erfuhren wir von ähnlichen Überlegungen im SPDi Süd. Gemeinsam bemühten wir uns um eine Kooperation, zwischen dem Caritasverband als Träger dieses SPDi auf der einen Seite und unserer Bürgerinitiative auf der anderen Seite, um in Stuttgart das erste Tageszentrum in gemeinsamer Verantwortung auf die Beine zu stellen. Um diese Kooperation beschließen zu können, gründeten wir engagierten Bürger unsererseits einen Verein, der dann auch Trägerverein für den Club „Treffpunkt Süd“ wurde, der bis dahin nur eine informelle  Gruppe war. Die Kooperation Caritasverband und Bürgerinitiative war etwas Besonderes, und nicht alltäglich war auch die Beteiligung an der Ausarbeitung der Tageszentrums-Konzeption. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass auch die Stadt in Person des damaligen Sozialamtsleiters Herrn Rilling, am Zustandekommen des Projekts maßgeblich beteiligt war. Hauptakteure auf Caritasseite waren der unvergessene Herr Ihle, Frau Bächtold und Herr Obert.

Schwierig war die Namengebung für unseren Verein, denn er sollte etwas von unserem Programm transportieren. So wählten wir den Begriff „seelische Gesundheit“. Damit verbinden wir Lebensqualität, Wohlbefinden, gute zwischenmenschliche Kontakte. Unser Logo zeigt symbolisch eine Sonne – sie steht für Hoffnung, Leben, Perspektive.

Kein Weg ist zu weit mit einem Freund an der Seite.

Unser Motto.